„Mit dem Finger zeigen können viele“

Sarah Karski und Peer Stumpenhusen engagieren sich bei UNICEF. Vanessa Reiber traf sie auf der ZukunftsTour in Bremen und sprach mit ihnen über ihren Einsatz gegen Kinderarbeit.

Nicht nur bei der ZukunfsTour aktiv: Sarah Karski und Peer Stumpenhusen engagieren sich in Bremen bei UNICEF (Foto: Vanessa Reiber)
Nicht nur bei der ZukunfsTour aktiv: Sarah Karski und Peer Stumpenhusen engagieren sich in Bremen bei UNICEF (Foto: Vanessa Reiber)
Ihr macht euch hier bei der ZukunftsTour für Kinderrechte stark. Wie kam es dazu?

Sarah: Ich studiere seit 2013 Tourismusmanagement und wir durften im ersten Semester eine Hausarbeit über irgendwas, worauf wir Lust hatten, schreiben. Ich bin auf das Thema Sextourismus und die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern gestoßen. Dieses Thema – fernab von Uni, Sport und was man sonst so erlebt – hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.

Jeder von uns war mal Kind und da kann man sich ja vorstellen, was diese Kinder durchmachen. Mich hat vor allem schockiert, dass dieses Thema von der kommerziellen sexuellen Ausbeutung überall ist. Es ist nicht nur fernab in Asien, wo man sich das immer denkt. Man muss darüber aufklären – das ist vor allem die Aufgabe, die wir beide UNICEF in Bremen übernehmen. Wir gehen in Schulen und informieren. Es macht Spaß, so neben dem Unialltag, was anderes, was Gutes zu machen.

Peer: Während der Oberstufe habe ich angefangen, die Dinge zu hinterfragen und begonnen, Dinge wie das Wirtschaftssystem zu verstehen. Irgendwann bin ich dann auf Kinderarbeit aufmerksam geworden. Es ist nicht alles so toll, wie es aussieht. Mit dem Finger zeigen können viele, aber eigentlich muss man sich selber fragen: Was ist eigentlich mit mir? Da habe ich mir gedacht: Ich müsste eigentlich selber mal was machen, bei mir liegt auch Verantwortung.

„Kinderarbeit – das ist ja so weit weg von hier.“ Was denkt ihr, wenn ihr Aussagen wie diese hört?

Peer: Ich finde das total schade, wenn Leute die Aussage machen, dass sie Kinderarbeit nichts angehe. Die Welt ist nicht so einfach, dass man sagen kann: Ich habe hier meine kleine heile Welt und könnte ja eh nichts gegen die Probleme der anderen tun. Das entspricht nicht der Wahrheit, man kann auf jeden Fall etwas machen. Solche Sätze sind eine schlechte Entschuldigung dafür, nichts zu tun.

Sarah: Sich zu verschließen, das ist ein sehr einfacher Weg. Ich glaube aber, dass spätestens dann, wenn Menschen anfangen zu reisen, der Punkt kommt, wo sie sich nicht mehr verschließen können. Auf ihren Reisen sehen sie, in welchen Ländern Armut herrscht. Da die Kinder auch auf den Straßen arbeiten, ist es schwer, ihre Situation auszublenden.

Weltweit arbeiten etwa 150 Millionen Kinder zwischen fünf und 14 Jahren. Wo liegen die Ursachen von Kinderarbeit?

Sarah: Für mich sind die drei Hauptfaktoren Armut, Tradition und fehlende Bildung. Diese sind eng miteinander verknüpft. Armut zwingt Eltern, ihre Kinder arbeiten zu lassen. Sie haben kein Geld, das sie in die Schulbildung ihrer Kinder investieren können. Und die Kinder haben ja auch keine Zeit, weil sie Geld verdienen müssen. Oft arbeiten Kinder schon seit Generationen. Das heißt, dass die Menschen das gar nicht anders kennen und in Frage stellen.

Peer: Auch der Kapitalismus trägt stark zum Problem Kinderarbeit bei. Kapitalismus heißt, es muss immer Wachstum geben. Die Industrieländer wollen immer günstiger, immer mehr produzieren. Solange es billiger geht, ist der Preis, den andere – in diesem Fall Kinder – tragen, oft egal.

Was ist für euch das Schlimmste an Kinderarbeit?

Peer: Das krasse Problem auf der Welt ist das, was ich Geburtenglück nenne. Wo man geboren ist, bestimmt darüber, was man werden kann und wird. Kinder aus Industriestaaten werden vielleicht 80 Jahre alt und führen ein glückliches Leben. Wer in einem Entwicklungsland geboren ist, fängt mit fünf Jahren an zu arbeiten und hört mit 30 auf, weil er nicht mehr arbeiten kann. Die nächste Generation ist eine Altersvorsorge und muss arbeiten, damit die Familie überlebt. Das ist ein ewiger Kreislauf.

Sarah: Ich finde, das Schlimmste an Kinderarbeit ist, dass Kinder eigentlich keine Kinder mehr sein können. Jeder von uns hatte, ob jetzt schön oder nicht schön, eine Kindheit, in der er Kind war und spielen konnte. Für mich ist wichtig, dass Kinder Kinder sein können, dass die Kinderrechte überall durchgesetzt werden

Was tut ihr bei UNICEF gegen Kinderarbeit?

Peer: UNICEF betreibt viel Präventions- und Informationsarbeit gegen Kinderarbeit. Ich finde es super, dass wir so international sind: Sarah und ich sind hier in Bremen und versuchen über Kinderarbeit aufzuklären. Genauso versucht UNICEF, den Eltern von arbeitenden Kindern und auch den Regierungen zu verdeutlichen, dass Kinderarbeit schrecklich ist. Außerdem werden Schulen gebaut, die die Kinder besuchen können, ohne etwas dafür zu bezahlen.

Sarah: Bei der Arbeit in den betroffenen Ländern ist es wichtig, zu kommunizieren, dass die Menschen aus der westlichen Welt nicht alles verändern wollen und die anderen Kulturen zu akzeptieren.

Sarah Karski, 22, studiert Tourismusmanagement an der Hochschule Bremen ist seit Februar 2015 bei UNICEF aktiv. Peer Stumpenhusen, 24, studiert Soziologie an der Universität Bremen. Seit zweieinhalb Jahren engagiert er sich bei UNICEF.

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