„Ein unendliches Wachstum kann nicht nachhaltig sein“

Bald ist wieder Klimakonferenz: Die Politiker*innen fahren die Nachhaltigkeitsdebatten wieder an – Ausgang offen. Doch getreu dem Credo der ZukunftsTour „Eine Welt – unsere Verantwortung“ sprach Albert Wenzel mit der Referentin des Vereins Agrarkoordination, Susanne Nichell, unter anderem darüber, dass China einen viel kleineren ökologischen Fußabdruck hinterlässt als die USA.

Schwellenländer haben einen deutlich kleineren ökologischen Fußabdruck - von Klimapolitiker*innen werden sie trotzdem heftig kritisiert. (Foto: Albert Wenzel)
Schwellenländer haben einen deutlich kleineren ökologischen Fußabdruck – von Klimapolitiker*innen werden sie trotzdem heftig kritisiert. (Foto: Albert Wenzel)

Zur Person: Susanne Nichell ist studierte evangelische Theologin, arbeitet als freiberufliche Referentin und beschäftigt sich im Verein ‚Argarkoordination und FIA e.V.‘ mit dem ökolgischen Fußabdruck. Der Verein engagiert sich für eine gerechte und nachhaltige Nutzung von landwirtschaftlichen Ressourcen.

Welche Möglichkeiten bietet der ökologische Fußabdruck?

Dadurch, dass jeder Einzelne seinen ökologischen Fußabdruck berechnen kann, bietet sich die Möglichkeit herauszufinden, in welchen Bereichen, z.B. im Verkehr, man besonders viele Ressourcen verbraucht. Dann kann man genau sehen, wo Veränderungspotenzial ist.

Und was soll damit erreicht werden?

Ziel für mich ist, dass der ökologische Fußabdruck irgendwann überall und bei jedem so groß ist, dass allen dieselbe Anzahl an Ressourcen zur Verfügung steht, sie also gerecht aufgeteilt sind.

Eine scheinbare Ausgleichsmöglichkeit einer ungerechten Verteilung gibt es doch schon: die sogenannte Klimakompensation. Damit kann in der Theorie jede*r, z.B. nach der Buchung eines klimaschädlichen Produkts wie einem Flug, mit kleinen Geldbeträgen, die Klimabelastung ausgleichen. Was hältst Du davon?

Ich persönlich halte das für schwierig. Es ist zu einfach, einen Button im Internet zu klicken und dann ist die Klimabelastung egal. Man muss seinen Lebensstil nachhaltig verändern und zum Beispiel Flugreisen komplett in Frage stellen. Derartige Klimakompensationen verhindern ja gerade, dass wir an unserem Konsumverhalten langfristig etwas ändern, was aber unbedingt notwendig ist.

In den aktuellen Klimadiskussionen werden oft Schwellenländer wie China für ihre enorme Umweltverschmutzung kritisiert. Was sagt der ökologische Fußabdruck dieser Länder?

Der Fußabdruck von China ist deutlich kleiner als der der USA, obwohl in China 1,3 Milliarden Menschen leben. Wir werden diesen Ländern ihre Entwicklung auch nicht verbieten können. Auch, wenn ich aus meiner Perspektive diese Entwicklung für nicht erstrebenswert halte. Die Fokussierung unserer Gesellschaft auf Geld und Wirtschaftswachstum kann meines Erachtens nicht zu einem nachhaltigen Lebensstil führen, denn ein unendliches Wirtschaftswachstum kann nicht nachhaltig sein.

Susanne Nichell findet unser Wirtschaftsmodell gar nicht so erstrebenswert. (Foto: Albert Wenzel)
Susanne Nichell findet unser Wirtschaftsmodell gar nicht so erstrebenswert. (Foto: Albert Wenzel)
Der ökologische Fußabdruck wird oft dafür kritisiert, dass er sehr vereinfachend ist. Was kann der ökologische Fußabdruck und was nicht?

Er kann zunächst aufzeigen, dass wir zu viel konsumieren. In detaillierteren Aufstellungen bietet er die Möglichkeit Ressourcenfresser zu identifizieren und erklärt, wie man sie abstellen kann. Aber er bleibt eine Motivationshilfe. Was man damit macht, muss letztlich jeder für sich klären. Er übernimmt keine Verantwortung.

Die meisten haben es zwar schon einmal gehört, aber nochmal für alle: Was ist der ökologische Fußabdruck?

Der ökologische Fußabdruck ist die Maßeinheit, mit der die Fläche berechnet wird, von allen Ressourcen, die der Mensch verbraucht. Und auch derjenigen Fläche, die man braucht, um die Abfallprodukte wieder abzubauen. Das ganze wird in sogenannten globalen Hektar (gha) angegeben.

Was genau ist der globale Hektar?

Das ist eine Einheit, die genau für den ökologischen Fußabdruck erdacht wurde. Da man ja die Ressourcen nicht nur in seinem Herkunftsland verbraucht, muss die Fläche überall auf der Welt einbezogen werden. Da die Böden ja nicht alle die gleiche Produktivität haben, ist das im Prinzip ein Durchschnittswert und die Gesamtzahl verfügbarer globaler Hektar auf der Erde gar nicht der tatsächlichen Landfläche der Erde. Deshalb spricht man vom globalen Hektar.

Und wie sieht es bei dir aus?

Ich habe gerade gestern noch gemessen (lacht). Ich dachte, ich bin schon ganz gut, aber mit 2,7gha bin ich noch deutlich über dem für eine nachhaltige Wirtschaft angestrebten Wert von 1,9gha. Mein Problem besteht genau im deutschen Sockelbetrag. Durch die Infrastruktur, die wir in Deutschland haben, bekommt jeder Deutsche in seinem Fußabdruck, egal, was er macht, 0,8gha oben drauf.

Und neugierig, wie es bei Dir aussieht? Deinen ökologischen Fußabdruck kannst Du hier berechnen.

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